Mittwoch, 18. Februar 2009

Fakten, Fakten, Fakten - und bloß nicht an den Leser denken

Craven hatte mich schonmal auf den Artikel hingewiesen, ich hab ihn da aber nicht lesen können und bin jetzt durch Zufall nochmal drüber gestolpert. Es geht um Ten ways you won’t get in the eSports press.

Der Artikel erklärt einiges. Und zwar in erster Linie, warum MYMs Website in der Vergangenheit so furchtbar uninteressant und newsarm war. Nicht, dass sich jetzt so viel gebessert hätte, was man aber aktuell auch gerne der starken Fluktuation in der Redaktionsleitung zuschreiben kann.

Die einzelnen Punkte auseinander zu nehmen ist witzlos. Dass Telefonkontakte tabu sind, ist klar, zumal es zahlreiche bessere Kommunikationskanäle gibt.

Abseits davon zeugt die Liste allerdings von einer Menge Unverständnis von der Materie. Man kann aus allem eine interessante Story stricken, wenn man denn über das nötige Handwerkszeug verfügt. Aber ganz offensichtlich geht es dem Autor ja nicht nur um auf den ersten Blick uninteressante Geschichten.

Wenn ich das wirklich richtig verstehe, so würde er gar gute Storys mit aller Gewalt ignorieren, wenn sich der Hinweisgeber nicht an Phillip Rasmussens strengen Verhaltenskodex hält.

Dass er dabei sogar seine Redakteure bevormunden würde, in dem er Artikel löscht, die diese für relevant erachten, ist arg grenzwertig. Dass er dann sogar Forenbeiträge entfernen würde, damit auch ja keiner seine gottgleiche Deutungshoheit angreift, ist nur noch absurd.

Dass die ein oder andere englisch-sprachige Website offenbar mit einem Würfel entscheidet, ob etwas auf der Seite landet, hatte ich schon länger vermutet. Dass man sich aber nicht entblödet, dafür komplett abwegige Gründe anzuführen, verschlägt mir die Sprache.

Der Misserfolg eines redaktionellen Konzepts ist bei dieser Arbeitsweise vorprogrammiert. Während man in Deutschland mit Einbindung von Links, Kurzmeldungen, Blogs und prominent eingebunden Forenbeiträgen versucht, soviel Content wie nur möglich zugänglich zu machen, ist man anderenorts offenbar mehr um sein Ego besorgt als um den Informationsdurst seiner Leser.

Ja von wem isses denn nun?

Was dem normalen Leser wohl weitesgehend Jacke wie Hose ist, stellt für Leute, die in der Branche arbeiten, die alles entscheidende Information dar. Von wem ist denn jetzt der Artikel?

Readmore hat vor kurzem sein Newssystem überarbeitet, und bietet nun analog zu Fragster seine Artikel in seinem Newsformat feil. Dabei ist auch eins der wesentlichen Relikte aus der Frühzeit verschwunden: Die Autorenkürzel. Die Wissenden konnten damit auf einen Blick feststellen, wer sich für Interview, Meinung, Analyse verantwortlich zeigte.

Das fällt nun weg, obwohl die imitierte Konkurrenz gar einen Schritt weitergeht, und sowohl Nickname als auch vollen Namen des Autors nennt, wenn man mal von Cravens Fragster-Pseudonym Szenemonster und einigen anderen artikelschreibenden Fakeaccounts absieht.

Mich nervt es tierisch. Ich kenne die Leute und ihren jeweiligen Drift. Einen Artikel zu lesen ohne den Autor zu kennen, mag ein lustiges Ratespiel darstellen, das ich damals zu Zeiten des anonymen Fragster-Blogs gerne mitgespielt habe (und wohl auch häufig richtig lag). Dennoch wüsste ich gerne vorher, wer da gerade zum aktuellen Thema in die Tasten gehauen hat. Die lieblose Nennung des Autors im Kurztext bei readmore kann mich da nicht zufriedenstellen, zumal ich aus eigener Erfahrung weiss, dass diese lobpreisenden ersten Zeilen im Normalfall aus der Feder des Artikelschreibers stammen.

Klar, bei der mittlerweile stark entwickelten Organisationsform ensteht abseits von Meinungen kaum noch ein Artikel im Alleingang. Bei Fragster ist fast immer einer der leitenden Redakteure Wortführer im Artikel, sei es Rudi, datawave oder der vorgeblich inaktive bond, die den jüngeren, und noch unerfahreneren, Redakteuren die Gedanken leiten, und sie auf Projektlinie bringen. Auf readmore-Seite nehmen die Rolle die Althasen Craven, cyph und vor allem wixwiwa ein, der von der Öffentlichkeit unbemerkt eine tragende Rolle in Deutschlands wichtigstem eSport-Magazin eingenommen hat, und selbst nie namentlich in Erscheinung tritt.

Doch selbst wenn diese Altmeister ihre Hände im Spiel haben: Die gedankliche und inhaltliche Leistung ist immer noch den Autoren zuzurechnen, wie beispielsweise fragsters Hilgers-Interview vor kurzem, das vor allem herby zu verdanken war, obwohl Rudis Name über dem Artikel stand. Ich als informierter Leser möche und glaube sogar ein Recht darauf zu haben, zu wissen, wer genau denn nun an der Story dran war, wer sie mit seinen persönlichen Präferenzen geprägt und geformt hat. Für mich ist das ein unabdingbarer Indikator und Wegweiser, um die Story einzuordnen.

Deutschland hat im Gegensatz zu allen anderen westlichen Ländern unzählige gute eSport-Redakteure, die allerdings alle ihren eigenen Stil besitzen, der ihren Output unweigerlich prägt. Ich möchte die Gelegenheit haben, ihren Namen zu lesen, bevor ich den Artikel beginne. Unabdingbar ist die Verbindung von Autor und Inhalt.

Dementsprechend sollte readmore schnellstmöglich die Autorenkürzel wieder einführen. Fragster hingegen täte gut daran, redaktionelle Zusammenarbeiten stärker kenntlich zu machen. Die Senior Editors sollte ihren Zuarbeitern den Co-Credit zugestehen, wie es bei klassischen Medien schon lange der Fall ist. Eine Zusammenarbeit von Rudi und herby zu lesen bietet für mich sogar einen zusätzlichen Reiz, weil ich dann versuchen kann zu entschlüsseln, was wer beigetragen hat, während ich bei Artikeln von einem der beiden zwangsläufig davon ausgehen muss, dass sie in altbewährten Mustern agieren. Und dieser Eindruck kann täuschen, wenn in Wahrheit auch andere Redakteure zugearbeitet haben. Transparenz ist wichtig in diesem Geschäft, und nirgends kann sie so einfach erreicht werden, indem die Content-Outlets alle Autoren eines Artikels kennzeichnen.

PS: An diesem Artikel mitgewirkt haben: