Samstag, 17. Januar 2009

Nostalgie-Attacke: Warum Vo0 verlor und 2005 ein großartiger Jahrgang war.

Die Spannung, die Charaktere, die schiere Geschwindigkeit. Vom Sommer 2004 bis Winter 2005 hielt Painkiller die eSport-Welt in Atem. Das Spiel, das kaum wer selbst gespielt hat, und das die best verdienenden Pro Gamer hassten, einte die eSport-Community in staunender Ekstase.

Insbesondere die CPL World Tour 2005 war ein prägendes Erlebnis, insbesondere für mich. Die CPL Winter 2004 war mein erster Auslandevent. Während Rudi sich auf Counter-Strike konzentrierte, kümmerte ich mich um die Painkiller und Doom 3 Turniere - meine erste richtige Berührung mit Painkiller.

Und ich war gefesselt. Rücken an Rücken saßen Doom 3 und Painkiller-Spieler - der Kontrast hätte nicht größer sein können. Doom 3 war kaum schneller als Counter-Strike, Painkiller hingegen kann es locker mit Need for Speed aufnehmen. Das war mein Spiel.

Interessant vor allem, die großen Player hautnah zu erleben. Besonderen Kontakt hatten wir mit den deutschen Spielern, Highlight war aber für mich den berühmten Fatal1ty persönlich zu treffen. Auch andere hinterließen bleibende Eindrücke. Vo0 natürlich, aber auch Ztrider, der direkt nach einem Match rausflog auf seinem allerersten Offline-Turnier. Ein junger, schüchterner Schwede, der schnell aufblühen sollte, und knapp ein Jahr später den World Tour Stop in Chile gewann.

Die Winter CPL war bloßes Vorspiel. Richtig in Schwung kam das Spiel mit dem Start der CPL World Tour Anfang 2005. Und was für ein Start das war. Der CPL World Tour Stop in der Türkei muss als Legende gelten. Nie wieder hat eine Organisation es geschafft, einen Event komplett, aber wirklich absolut komplett in den Sand zu setzen, nur um wieder aufzustehen und es einfach einen Monat später nochmal zu versuchen.

Was war passiert? Ende Januar gab es in Istanbul einen Event mit lokalen CS-Turnier und dem ersten Painkiller World Tour Stop. Nur dass das Painkiller Turnier nicht stattfand. Offizielle Begründung: Schneestürme hätten alle Istanbuler Flughäfen lahm gelegt. Dumm nur, dass quasi alle angekündigten Spieler es rechtzeitig nach Istanbul geschafft haben, sich reichlich verarscht vorkamen und die wahre Nachricht gestreut haben.

Zumal das CS-Turnier stattfand - für die Painkiller-Pros war es ein verlängertes Bootcamp-Wochenende mit einem kleinen Extrapreisgeld. Unbeeindruckt setzte die CPL einen weiteren bzw richtigen Stop in der Türkei an, nur einen Monat später.

Glück für mich, mein damaliger "Arbeitgeber" rushed.de erkannte das Potenzial und schickte mich in die Türkei um von dort zu berichten. Schnell war klar, warum der erste Versuch in der Türkei in die Hose ging: Die CPL hat ihre weltweiten Turniere outsourced. Verantwortlich waren lokale Firmen, die vom Lone Ranger Scott Valencia - der Mann mit dem Cowboyhut - betreut wurden: Von Anfang an ein hoffnungsloses Unterfangen.

Beim ersten Mal waren die Organisatoren wohl nicht in der Lage leistungsstarke Rechner für das Turnier aufzutreiben. Beim echten Stop lief es dann halbwegs rund, auch wenn Valencia trotzdem gefühlt alle 5 Minuten einen lautstarken Wutausbruch bekommen hat. Dass es sich hier anders als bei den Spielern um Vollamateure handelt wurde mir klar, als die Headadmins versuchten, den Grund für einen verspäteten Turnierstart zu beheben.

Da saßen sie mit Sektflasche in der Hand um einen Laptop, angetrieben von Internet der Klasse Weinbergschnecke, und versuchten, einen NoCD-Crack für Painkiller runterzuladen. Da die mTw Jungs sich immer noch als unfähig erweisen, ihr unvergleichliches, 7 Jahre umspannendes, extrem umfangreiches Archiv an eSport-Artikeln, das nach der Umstellung auf die neue Seite nicht mehr erreichbar ist, erneut zugänglich zu machen, war ich so frei, meine Coverage-Ergüsse hier wiederzugeben. In den Postings unter diesen sind alle 10 Artikel vereint, die einen guten Einblick liefern dürften. Am besten von oben nach unten lesen.

Trotz der merkwürdigen Begleitumstände war mir schnell klar, was genau die CPL World Tour ausmacht, und warum diese Turnierserie einschlagen würde wie eine Bombe. Der Glamour, die Charaktere, die Action. Und ich hatte recht.

Nur einen Monat später sagten wir uns von rushed los. Cyph kämpfte sich dort noch als 1-Man-Army durch den glorreichen Sieg von SteLam auf der CPL Barcelona, pünktlich zum Start der CPL Schweden im Juni war dann aber readmore am Start, und ich übernahm die Coverage dieses einzigartigen Turniers.

Das Leserfeedback war überragend. Die Videocoverage der CPL war für die damalige Zeit wegweisend. Mit einem großartigen Caster-Lineup hat TSN regelmäßig die halbe Readmore-Leserschaft ein Wochenende lang an den Bildschirm gefesselt, für die Deutschen jubeln lassen, und im Overall-Finale zumeist für den Holländer die Daumen drücken lassen.

Es war ein großartiges Jahr. Nie zuvor und nie wieder danach habe ich regelmäßig bis spät in die Nacht eSport-Turniere verschlungen wie damals. Die Serie kulminierte in dem legendären Finale am Times Square.

Nachdem bis aufs Overall-Finale alle Matches in einem kleinen Internetcafe ausgetragen wurden, traf Fatal1ty auf Vo0 in einem MTV-Studio. Vo0 hatte 5 der 9 Turniere gewonnen, Fatal1ty 2. Und was für Duelle sich die beiden geliefert hatten. Legendär das Overall-Finale in Brasilien, in dem Vo0 eine kleine Führung herausspielte, nur um daraufhin Fatal1ty mit seiner ureigenen Taktik spektakulär zu demütigen.

Vo0 hatte auf Sacred eine Stelle entdeckt, die eigentlich nicht erreichbar sein sollte, auf dem Dach. Dort vercampte er sich, eine Taktik, die Fatal1ty sicher auch selbst eingesetzt hätte. Verzweifelt sprintete der Amerikaner minutenlang durch die Map, schaute an der entscheidenden Stelle aber nie nach oben. Ein Skandal für die Amerikaner der CPL, die unsinnigerweise sofort eine dem Spiel komplett konträr gegenüberstehende Regel einführten. Die Entwicklung behandelte ich in einer readmore Kolumne.

So trafen sie sich dann wieder am Big Apple. Nicht nur halte ich Painkiller nachwievor für das ansehnlichste eSport-Spiel aller Zeiten. Vor Kurzem zeigte ich einem deutlich jüngeren, schwedischen Kollegen, der nie mit Painkiller in Berührung kam, die Aufzeichnung von besagtem Finale. Nach rund 10 Minuten Einarbeitungszeit verfolgte er das Geschehen mit offenem Mund und kaum verhohlener Bewunderung.

Und das lag sicher nicht an der amateurhaften Aufmachung der Show, die in manchem Aspekt die CGS in punkto fremdschämlicher Anbiederung an imaginäre Zielgruppen problemlos übertraf. Diese Spieler waren gottgleich, ihre Bewegungen, ihre Aktionen, jeder taktische Zug eine Offenbarung.

Nach kürzester Zeit legt das Spiel seine Feinheiten offen. Man könnte sie nie selbst anwenden, aber man sieht, was die Stars ausmacht. Wofür man ein Auge braucht, ist die Frage nach dem Warum.

Warum hat Vo0 4 Maps in Folge verloren in diesem Match? Was ist passiert? Klar gab es Zeichen. Vo0 hatte ganz eindeutig kalte Hände, verheerend bei einem Tastaturakrobatikspiel wie Painkiller. Sicher, Fatal1ty kommt aus Kansas, kann gerne auch mal störende Gedanken ausschalten, und sich aufs Klicken und Tippen konzentrieren. Mehr Erfahrung in Matches um ne Menge Kohle hat er sowieso.

Wer das Video aus dem Finale sieht, erkennt aber deutlicher denn je die psychologische Seite des eSports, den gigantischen Effekt kleinster Fehler. Jede einzelne verlorene Map kann auf einen einzigen Frag zurückgeführt werden, oder im Fall der dritten Map auf eine fatale Unachtsamkeit.

Insbesondere die dritte Map ist ein Schlüssel, nicht nur um das Spiel verstehen zu lernen. Auf der kleinsten und schnellsten Map im Spiel, auf der die Spieler im Schnitt alle 3 Sekunden aufeinander treffen und man rund 5 Sekunden von einem Ende der Map zum anderen braucht, dauert es 7 Minuten bis zum ersten Kill. Selfkill inklusive, so dass es selbst dann immer noch 0:0 steht. Am Ende steht es 3:3, die Overtimeglocke läutet und scheint Vo0 für den Bruchteil einer Sekunde zu irritieren, der davor eine Minute lang Fatal1ty gejagt hat, der die Beine in die Hände genommen hat, und mit seinen 20 HP von einem Teleporter zum nächsten hetzte. Game Over für Vo0.

Das Overallfinale und wohl letzte, offizielle Painkiller-Match ist spielerisch enttäuschend, allerdings das am ehesten zugängliche Match. Es fasziniert. Man mag kaum glauben, dass das mit das langweiligste war, was das Jahr zu bieten hatte.

Unverdient, dass die CPL eine heftige Quittung bekam. Die World Tour 2006 musste abgesagt werden, trotz großer Pläne. Mitarbeiter wie Valencia und Sponsoren wie Intel verließen die CPL und schlossen sich der WSVG an. Anderthalb Jahre später machte auch diese mitten in der Saison dicht. Mittlerweile macht Intel mit der ESL die Intel Extreme Masters.

Dieses Turnier hat mich nach Südkorea gebracht, nach Russland, Frankreich, Schweden, Kanada und in die USA - großartige Erlebnisse allesamt. Und doch denke ich immer und immer wieder zurück an die Spannung, die Aufregung Painkiller live zu erleben in Istanbul, und anschließend ein Jahr lang online das Turniergeschehen in mich aufzusaugen.

Mindestens ein Mal im Jahr öffne ich meinen Downloadschatz, den Mitschnitt des World Tour Finales - leider das einzige Match im Videoformat in meinem Besitz. Ich kenne den Ausgang, die Maps, weiß was passieren wird. Und doch fesselt es mich jedes Mal wieder, und versetzt mich zurück in die Zeit als diese unvergleichlichen Charaktere sich ein ganzes Jahr diese epischen Kämpfe lieferten. Diese Zeit hat mich geprägt und leitet einen guten Teil meines eSport-Denkens. Ich werde sie immer in Ehren halten.

Und jetzt hab ich Lust Painkiller zu spielen. Hat das noch wer? Server gibts jedenfalls noch einige, bin über die üblichen Kanäle erreichbar!

2 Kommentare:

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  2. Ich würd auch gerne mal wieder ne Runde Painkiller zocken, wenn ichs denn mal zum laufen bekommen würde... ;)

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